Eine gemeinsame Empfehlung des Ministeriums für Umwelt, Energie, Ernährung und Forsten und des Landesjagdverbandes Rheinland-Pfalz e. V.

I. Präambel

Die Erhaltung einer so markanten, großen, Rudel bildenden Säugetierart wie dem Rotwild in unserer dicht besiedelten Kulturlandschaft mit hoher Raumkonkurrenz der verschiedenen Landnutzungsformen und -interessen ist eine gesellschaftliche Meisterleistung. An dieser haben die Jägerinnen und Jäger des Landes Rheinland-Pfalz einen entscheidenden Anteil. Es nimmt sie aber auch für eine vorbildliche und in die Zukunft weisende Bejagung und Hege des Rotwildes in die Pflicht.

Wir können dem Rotwild nicht mehr seinen bevorzugten Lebensraum zur Verfügung stellen – das wären Steppen und savannenähnliche Landschaften. Die volle Nutzung unserer Agrarlandschaft als kulturelle Ersatzlebensräume ist nicht möglich. Die moderne Landwirtschaft schränkt die Nutzung als Lebensraum für das Rotwild ein. Das trifft auch für die zunehmende Zersiedlung und Verkehrsinfrastruktur sowie für die intensive Freizeitnutzung zu. Unserer bewaldeten Mittelgebirgslandschaften sind hauptsächliches Rotwildbiotop und damit räumliches Zentrum einer vorbildlichen  Rotwildbewirtschaftung in Rheinland-Pfalz.
Seit Mitte der 1990er Jahre gilt das Rotwild auch im Naturschutz als Leitart für den Biotopschutz, die Sicherung der biologischen Vielfalt und insbesondere den Erhalt großer unzerschnittener, verkehrsarmer Räume. Als eine Leitart für den Biotopverbund ist das Rotwild auch in den fachlichen Kontext internationaler Konventionen wie der „Übereinkunft zur Biodiversität“ (Rio 1992) und der  „Agenda 21“ zu stellen.
Es bleibt festzustellen, dass viele Gruppierungen unserer Gesellschaft ein berechtigtes und zunehmendes Interesse am Rotwild und seiner Erhaltung haben. Die Hauptverantwortung liegt aber unverändert in den Händen der Jägerschaft.
Ministerium für Umwelt, Forsten
und Verbraucherschutz

II. Ziele

Wildbiologisches Ziel ist ein gesunder Rotwildbestand mit ausgeglichenem Geschlechterverhältnis und artgerechter Altersstruktur, der an landschaftliche und landeskulturelle Verhältnisse angepasst ist. Rotwild lebt weitgehend tagaktiv und nutzt den Lebensraum in guter Verteilung. Die wirtschaftlichen Schäden in der Landwirtschaft und insbesondere im Wald liegen in einem tragbaren Rahmen. Damit werden auch die gesetzlichen Vorgaben erfüllt (Bundesjagdgesetz § 1 Abs. 2, § 21 Abs. 1; Landesjagdgesetz § 23 Abs. 4; Landeswaldgesetz § 5 Abs. 1).

III. Handlungsempfehlungen

1. Bestandesanpassung als Daueraufgabe

Zentrale Aufgabe eines Rotwildmanagements ist die Anpassung des Rotwildbestandes an

  • die vorhandene Lebensraumkapazität. Überschreitungen dieser Kapazität führen zu nicht mehr tragbaren Wildschäden. Die Qualität von Lebensräumen unterliegt Änderungen; so verbessert sie sich  in den Jahren nach flächigen Sturmwürfen wegen des zunehmenden Äsungs- und Deckungsangebotes, während mit dann zunehmendem Dickungsschluss das Äsungsangebot ausgedunkelt wird.
  • die gewünschte Geschlechterstruktur. Sie sollte im Bereich von 1:1 liegen. Ein Kahlwildüberhang erhöht die Reproduktionsrate und erfordert ständige, entsprechend sehr hohe Abschussquoten.
  • die gewünschte Altersstruktur. Einerseits sollen ausreichend alte Hirsche vorkommen und erlegt werden. Andererseits ist dort wo notwendig der Anteil von Alttieren zugunsten von Schmaltieren  abzusenken. Alttiere sollten zusammen mit (nach) dem Kalb erlegt werden. Alttiere mit häufigem Kalbverlust werden extrem scheu mit negativen Folgen für die Tagaktivität und Bejagbarkeit.
  • Mittelfristig wird eine Evaluierung der Abschussrichtlinie für das Rotwild vorgenommen.

2. Lebensraumverbesserung

Rotwild bildet Verbreitungsschwerpunkte, die vom Nahrungsangebot, vom Sicherheitsbedürfnis und von lokalen Klimabedingungen bestimmt werden. Dem richtigen Umgang damit fällt eine der  Schlüsselrollen bei der Vermeidung von Wildschäden zu. Deshalb spielt die Erhaltung, Pflege und Entwicklung der Lebensräume für das Rotwild eine zentrale Rolle bei den Bemühungen der  Jagdausübungsberechtigten und der Grundstückseigentümer. Die Landesforsten sehen sich als größter Waldeigentümer in besonderer Verantwortung.

Maßnahmen sind unter anderem:

  • Großräumige – jagd- und waldbauliche – Betrachtungsweise
  • Eine weitere Zerstückelung der Jagdbezirke steht einer sinnvollen Hege entgegen
  • Naturnaher Waldbau mit reich strukturierten Beständen und hohem Naturverjüngungsanteil (setzt angepassten Wildbestand voraus)
  • Äsungsflächenanlage und -gestaltung mit Orientierung an den naturräumlichen Gegebenheiten
  • Förderung von Prossholzflächen
  • Förderung von Mast tragenden Baumarten
  • Zusammenführung von Äsungs- und Deckungsflächen
  • Niederwaldbewirtschaftung („auf den Stock setzten“ setzt eingeregelten Wildbestand voraus, da ansonsten die Stockausschläge permanent abgeäst werden, nach einigen Jahren absterben bei  ausbleibender Wiederbewaldung)
  • Besucherlenkung
  • Evtl. Ausweisung von Wildschutzgebieten (§ 27 LandesjagdG)
  • Integration der Rotwildbewirtschaftung in waldbauliche Planungen und Maßnahmen, soweit forstbetrieblich vertretbar


3. Rotwild als Leitwildart

In den Rotwildgebieten ist bei Vorkommen mehrerer Schalenwildarten das Rotwild als Leitwildart zu betrachten. Die Bejagungszeiten und -methoden sollten sich am Lebensrhythmus des Rotwildes  orientieren. Die Bejagung anderer Schalenwildarten ist mit der Rotwildbejagung zeitlich und örtlich zu synchronisieren. Die Nachtjagd in unmittelbarer Nähe bekannter Rotwildeinstände sollte unterbleiben.
Damit verbieten sich Schwarzwildkirrungen auf Äsungsflächen für das Rotwild.

4. Jagdstrategie

Unsachgemäße Jagdausübung kann ein entscheidender Störfaktor und damit Auslöser für vermehrte Wildschäden sein. Elemente einer wildbiologisch orientierten Rotwildbejagung sind:

  • Anwendung intelligenter Jagdstrategien, um Störungen zu minimieren und Ruhe zu fördern
  • Früher Beginn der Abschusserfüllung in der Jugendklasse, d. h. im Juni Schmaltiere und evtl. Schmalspießer
  • Ab August Kälber und Alttiere, möglichst als Dublette (Verschiebung auf das Spätjahr oder Drückjagden bewirken i. d. R. Nichterfüllung des Abschussplans)
  • Ab Mitte Oktober großräumige/revierübergreifende Bewegungsjagden. Die Abschussfreigabe hat sich dabei am Stand der Abschusserfüllung zu orientieren. Andere Schalenwildarten sollen hierbei intensiv mitbejagt werden
  • Nur ausnahmsweise Einzeljagd an Rotwildäsungsflächen, z. B. auf den reifen Hirsch
  • Einzelabschüsse vermehrt an Wechseln zu den Äsungsflächen mit mindestens 150 m Abstand
  • Einzeljagd möglichst als Intervalljagd, d. h. nach intensiven Einzelansitzen eine Ruhephase einlegen. In größeren Revieren in anderen Revierteilen jagen
  • Abschusserfüllung bis Ende Dezember, danach möglichst Jagdruhe

IV. Stärkung der Rotwildhegegemeinschaften

Die Bewirtschaftung einer weiträumig lebenden und sozial organisierten Wildart wie das Rotwild ist auf Basis einzelner Jagdreviere nicht möglich. Zentrale fachliche Instanz zum Management einer  Rotwildpopulation unter Einbindung der Grundeigentümer und unter dem Dach der Rotwildringe ist daher die Rotwildhegegemeinschaft. Für jeden Jagdausübungsberechtigten muss deshalb die Mitgliedschaft Verpflichtung sein. Nur so kann die erforderliche Abstimmung hinsichtlich Hege, Bejagung, Lebensraumgestaltung und Schadensminimierung flächendeckend und in abgestimmten Grundsätzen erfolgen.

Die Instrumente der Hegegemeinschaften müssen gestärkt werden, z.B.:

  • Verpflichtung zur Mitarbeit für alle Jagdausübungsberechtigten im Vorkommensgebiet. Vertretungen der Grundstückseigentümer sollten ebenfalls aufgenommen werden. Die Mustersatzung der DVO zum  Landesjagdgesetz setzt die Mindeststandards
  • Körperlicher Nachweis allen erlegten Rotwildes
  • Einheitliche Abschussplanung, möglichst mit Bildung von Abschusspools
  • Einbindung der Abschussplanvorschläge der Hegegemeinschaften in den Abwägungsprozess der unteren Jagdbehörden
  • Koordiniert Maßnahmen, die den Lebensraum der Populationen sichern und fördern. Aktive Beteiligung an Planungen, die Lebensräume von Wildtieren betreffen (z. B. Tourismus- und Verkehrsplanungen)
  • Erarbeitung von Konzepten zur Verbesserung des Lebensraumes und der Fortbildung als Grundlage von Förderungen aus der Jagdabgabe
  • Erarbeitung von koordinierten Fütterungsnotplänen für den Fall besonderer Witterungsbedingungen oder Naturkatastrophen
  • Öffnung der Hegegemeinschaften für eine Diskussion mit anderen gesellschaftlichen Gruppen

V. Rotwildbewirtschaftungsbezirke

Ausgewiesene Rotwildgebiete haben eine populationserhaltende Funktion („Duldungsverpflichtung“). Die scharfe Abgrenzung dieser behördlich definierten Rotwildlebensräume von den Freigebieten wird  zunehmend hinterfragt. Es besteht die Forderung nach einer Flexibilisierung und fallweisen Anpassung der Grenzen, um geeignete Flächen mit einbeziehen zu können. Eine Evaluierung der  Rotwildbewirtschaftungsbezirke – einschließlich der Solldichten – soll daher in angemessenen Zeiträumen vorgenommen werden.

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